Natürlich
Wasserstoff
Natürlicher, auch weißer, goldener oder geologischer Wasserstoff genannt, ist molekularer Wasserstoff (H₂), der auf natürliche Weise in der Erdkruste oder in geologischen Prozessen entsteht – also nicht industriell hergestellt wird. Er hat großes, bisher ungenutztes Potential und kann, im Zusammenspiel mit Geothermie, ein solider Baustein in der Klimawende werden. Nachfolgend finden Sie Wissenswertes zur Entstehung und Anreicherung von natürlichem Wasserstoff im Untergrund.
1. Wann wurde natürlicher Wasserstoff entdeckt?
Bereits 1910 wies der Chemiker Ernst Erdmann in Deutschland im Kalibergwerk Leopoldshall bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt den Austritt von Wasserstoff nach. Seine Entdeckung geriet jedoch in Vergessenheit. In den 1970er und 1980er Jahren wurden Wasserstoffaustritte in Öl- und Gasbohrungen dokumentiert, aber nicht weiter untersucht, da der Fokus auf fossilen Brennstoffen lag. Eine weitere zufällige Entdeckung machten Brunnenbauingenieure1987 in Mali. Sie bohrten nach Wasser und stießen dabei auf eine fast reine Wasserstoffquelle (~98% H₂). Es dauerte jedoch mehr als 20 Jahre, bevor der Wert des Fundes Beachtung fand. Seit 2012 wird der natürliche Wasserstoff aus der Bohrung in Strom umgewandelt, der das Dorf Bourakébougou versorgt.
2. Wann begann die systematische Suche nach natürlichem Wasserstoff?
2020 generierte Viacheslav Zgonnik, ein ukrainisch-stämmiger Geochemiker, Übersetzungen und Zusammenfassungen der russisch-sprachigen Fachliteratur. Vor allem aber seine eigenen Forschungen weckten großes Interesse für natürlichen Wasserstoff und dessen Potenzial als erneuerbare Energiequelle. Diese Arbeiten bereiteten die Grundlage für den Boom bei der Suche nach natürlichem Wasserstoff weltweit, die seitdem auch zu einem exponentiellen Anstieg an wissenschaftlichen Arbeiten und zu zahlreichen Firmengründungen in allen Kontinenten geführt hat.
3. Wie entsteht natürlicher Wasserstoff im Untergrund?
Natürlicher oder weißer Wasserstoff kann unter verschiedenen geologischen Bedingungen entstehen. Zu den wichtigsten gehören:

Serpentinisierung
Ultra-mafische-Gesteine werden mit Wasser und unter Oxidation von Eisen in das Mineral Serpentin umgewandelt. Diese geochemische Reaktion, die sogenannte Sepentinisierung, generiert natürlichen Wasserstoff in großen Mengen in allen jungen Gebirgsgürteln wie den Alpen, den Dinariden oder den Pyrenäen. Sie tritt häufig auch an mittelozeanischen Rücken oder in Ophiolith-Zonen auf. Letztere sind Überreste ozeanischer Kruste die auf Kontinente überschoben wurden.

Radiolyse von Wasser
Radioaktive Elemente wie Uran, Thorium oder Kalium können Wassermoleküle durch ionisierende Strahlung in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Dies geschieht tief im Untergrund, besonders in kristallinen Gesteinen wie Granit. Allerdings wird dieser Prozess mengenmäßig als weniger wichtig eingestuft im Vergleich zur Serpentinitisierung.

Biologische Prozesse
Einige anaerobe Mikroorganismen können Wasserstoff als Nebenprodukt ihrer Stoffwechselprozesse erzeugen. Dies geschieht häufig in Sedimentbecken bei Anwesenheit von organischem Material. Dabei kann auch Methan entstehen.

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Primordialer Wasserstoff
Primordialer Wasserstoff ist der Wasserstoff, der direkt nach dem Urknall entstanden ist. Er wurde in den ersten Minuten nach dem Urknall während der sogenannten primordialen Nukleosynthese gebildet. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Teil dieses „Urwasserstoffs“ tief im Erdmantel oder im Erdkern schlummern könnte.
4. Unter welchen geologischen Gegebenheiten reichert sich Natürlicher Wasserstoff im Untergrund an?
Das Verständnis über die Anreicherung von natürlichem Wasserstoff im Untergrund ist noch mit vielen Fragezeichen behaftet. Klar ist jedoch: Damit Wasserstoff in nutzbaren Mengen erhalten bleibt, muss er in geologischen Formationen zwischengespeichert werden, die bestimmte geologische Gegebenheiten aufweisen müssen. Diese nennt man Play-Concepts. Geologen gehen im Augenblick von einer Reihe sehr unterschiedlicher Play-Concepts aus, deren Validität jedoch noch weiter erforscht werden muss. Die wichtigsten Varianten sind:

Naturgas-ähnliche Reservoirs
Poröse und permeable Gesteine (z. B. Sandstein oder Karbonate), die von undurchlässigen Deckschichten (z. B. Tonstein oder Salz) überlagert sind. Ähnlich wie bei Erdgasfeldern kann Wasserstoff dort über geologische Zeiträume gefangen bleiben. Solche Lagerstätten kennt man auch für Helium. Letzteres hat eine ähnliche Molekülgröße wie das Wasserstoffmolekül.

Ophiolithe und Ultramafit-Gesteine
In serpentinit-reichen Regionen kann nicht nur Wasserstoff erzeugt, sondern auch in Rissen und Klüften gespeichert werden. Allerdings sind in solchen Gesteinen die vorhandenen Porenräume relativ klein, so dass die Speicherkapazität begrenzt ist.

Salzstöcke und Kavernen
Salzformationen, z. B. an Salzdomstrukturen, sind besonders gut als Gasspeicher geeignet. Salz ist undurchlässig, so dass selbst das kleine Wasserstoffmolekül schwer diffundieren kann. Beispiele dafür gibt es in Nord-Deutschland und Polen.

Aquifere
In wasserführenden Schichten kann Wasserstoff in gelöster Form gespeichert werden. Heute kennt man solche Vorkommen in Aquiferen unterschiedlicher Tiefen etwa in Mali in Afrika, in den Vereinigten Staaten in Kansas, Nebraska aber auch in Südaustralien. Viele, uns bekannte Vorkommen von natürlichem Wasserstoff finden sich in solchen wasserführenden Formationen.